Das Ende einer Liebe

(Oder: Weshalb ich zur FBM fahre – und alle verstehen kann, die es nicht tun)

Ein Text von Ende April, den ich aber immer noch aktuell finde – ursprünglich am 12.10.2018 auf Tumblr veröffentlicht.

Ich denke, ihr alle habt im Herbst über die Vorkommnisse auf der Frankfurter Buchmesse gelesen. Es war für mich die erste Buchmesse als politisch aktiv engagierte Person, und ich war zutiefst schockiert davon. Vielleicht habe ich es vorher einfach nicht genug beobachtet – doch der plötzliche Eindruck davon, dass Nazis sich auf der Messe frei bewegen können, ist und bleibt erschreckend.

Dann kam die Leipziger Buchmesse, und plötzlich stand ich in einer Gegendemo, wurde wieder einmal von Polizeikameras aufgenommen – und irgendwann wurde mir klar, dass ich mich von meiner Vorstellung der beiden großen Buchmessen verabschieden musste.

Jahrelang waren die Buchmessen für mich Treffen wunderbarer Menschen – lauter Menschen, mit denen ich in irgendeiner Weise etwas zusammen hatte, und genau durch die schiere Masse dieser Menschen so unglaublich stärkend für mich. Dass sich dieses Gefühl geändert hat, liegt definitiv auch an mir und an meiner politischen Sensibilisierung.

Aber nur, weil ich Dinge erst jetzt stark bemerke, müssen sie nicht neu sein – und ihr, liebe Organisator*innen der Buchmessen, wolltet doch diejenigen sein, die sich über einfache Parolen hinwegsetzen und Themen ansprechen, die die Gesellschaft bewegen (und sie zersprengen zu wollen, ist nicht dasselbe). Warum seid ihr jetzt diejenigen, die Pressemitteilungen voller „both sides“-Inhalte schreiben und nur müde lächelt, wenn das gesamte Polizeiaufgebot der Gegendemonstration folgt und Nazis völlig unbehelligt weiter in der Öffentlichkeit ihre menschenverachtenden Ansichten verbreiten können?

Auch wenn ihr niemanden verschrecken wollt – macht euch klar, dass das nicht geht. Events und Veranstaltungen, von denen Nazis nicht ausgeschlossen sind, werden zu gefährlichen Räumen für alle Menschen, die von Nazis gehasst und angegriffen werden. Ihr könnt euch aussuchen, was für Menschen in euren Hallen sein werden und was ihr für ein Event sein wollt. Aber eure vielgelobte „politische Neutralität“ gibt es bei so etwas nicht. Macht euch nicht zu Kompliz*innen der Rechten, indem ihr ihnen eine große Öffentlichkeit gebt und ihnen noch helft, den Diskurs weiter zu verschieben – sondern beweist endlich mal überfällige Haltung!

Es werden weiter tolle Menschen auf der Buchmesse sein, und für diese tollen Menschen werde ich im Herbst wieder nach Frankfurt fahren. Aber ein safe space ist die Messe nicht mehr für mich – im Gegenteil. Wo ich vor Leipzig nach Gebieten zum Vermeiden gesucht habe, wird es diesmal wohl eine Suche nach den wenigen okayen Gebieten werden. Weil sonst das Zusammensein mit wunderbaren Menschen und der Austausch über awesome Dinge so nicht möglich wäre.

Liebe Buchmessen, ich habe euch geliebt, und ich werde versuchen müssen, mit euch auszukommen. Aber ihr brecht mir das Herz.